Als lebensstilbedingte Erkrankungen werden Parodontitis und Diabetes oft als getrennte Gesundheitsprobleme betrachtet. Doch zeigt die heutige Forschung immer mehr, dass diese beiden Erkrankungen in einer komplexen Wechselwirkung stehen. Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnfleisches und des umgebenden Gewebes. Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung. Beide beeinflussen sich gegenseitig in vielfältiger Weise. Hierauf weist auch die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGPARO) auf ihren Patienteninformationsseiten hin. Die deutsche Diabetesgesellschaft klärt auf ihrer Homepage nur unzureichend auf. Sie stellt eine Leitlinie zu der erhöhten Komplikationsrate bei Implantaten zu Verfügung. Die meisten Diabetologen aber klären ihre Patienten in der Praxis umfassend über diesen Zusammenhang auf.

Parodontitis, auch als Parodontose bekannt, betrifft das Zahnfleisch sowie die umgebenden Strukturen, einschließlich des Kieferknochens. Es beginnt oft mit einer Ansammlung von Plaque, einem klebrigen Film aus Bakterien und Speiseresten, der sich auf den Zähnen bildet. Wenn diese Plaque nicht regelmäßig entfernt wird, kann sie sich unter dem Zahnfleischrand ansammeln und zu Entzündungen führen. Dieser Entzündungsprozess kann das Zahnfleisch schädigen und zu einer Zerstörung des Kieferknochens führen, was letztendlich zu Zahnverlust führen kann. In Deutschland gibt es ca. 20 Millionen Patienten und Patientinnen mit behandlungsbedürftigen Erkrankungen des Zahnhalteapparates. Die Zahnarztpraxen in Deutschland beurteilen bei den zahnärztlichen Kontrollen auch die Zahnfleischgesundheit. Mithilfe des PSI, des parodontalen Screening Index, kann schnell und unkompliziert der Zustand des Zahnfleisches beurteilt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Erhebung dieses Index alle 2 Jahre. Der Index wird pro Sextanten im Kiefer ermittelt und reicht von Wert 0 bis 4.

0: parodontal gesund
1: Zahnfleischentzündung (Gingivitis), Blutung auf Sondieren
2: Zahnfleischentzündung (Gingivitis), Zahnstein oder überstehende Füllungs- oder Kronenränder
3: Verdacht auf Parodontitis, Sondierungstiefen 3,5-5,5 mm
4: Verdacht auf Parodontitis, Sondierungstiefen größer als 5,5mm

Bei Wert 1 und 2 wird eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung empfohlen und erneute Kontrolle in 2 Jahren. Ab Wert 3 sollte die Diagnostik weiter gehen und ein Parodontalstatus erhoben werden. Hier werden die Zahnfleischtaschen an allen Zähnen gemessen, die Blutung dokumentiert, Lockerung und Furkationsgrade ermittelt. Mit Hilfe dieses Parodontalstatus kann der Zahnarzt über die Notwendigkeit einer Parodontitisbehandlung entscheiden. Unter anderem werden auf dem Parodontalstatus auch das Vorliegen einer Diabetes und die Rauchgewohnheiten erfragt. Daher ist es durchaus üblich und empfehlenswert, dass der Zahnarzt über das Vorliegen dieser Erkrankung in der Anamnese abfragt.

Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch eine gestörte Regulation des Blutzuckerspiegels gekennzeichnet ist. Typ-1-Diabetes tritt auf, wenn der Körper kein Insulin produziert, während Typ-2-Diabetes auftritt, wenn der Körper nicht effektiv auf Insulin reagiert oder nicht genug davon produziert. Hohe Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum können zu einer Vielzahl von Komplikationen führen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, Augenprobleme und neuropathische Erkrankungen. Ungefähr 4,5 Millionen Deutsche leiden an Diabetes, wobei man davon ausgeht, dass nur 80% erkannt und behandelt werden.

Die Beziehung zwischen Parodontitis und Diabetes ist nicht rein zufällig. Vielmehr gibt es verschiedene biologische Mechanismen, die diese beiden Erkrankungen miteinander verbinden. Einer der Hauptmechanismen ist die chronische Entzündung. Bei beiden Zuständen spielt Entzündung eine zentrale Rolle im Krankheitsprozess. Bei Parodontitis führt die Ansammlung von Plaque zu einer Entzündungsreaktion im Zahnfleischgewebe. Diese Entzündung setzt entzündungsfördernde Moleküle frei, die nicht nur das umliegende Gewebe schädigen, sondern auch systemische Entzündungen im Körper auslösen können.

Auf der anderen Seite kann Diabetes die Entzündungsreaktionen im Körper verstärken. Hohe Blutzuckerspiegel können die Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen und anderen Mediatoren erhöhen, was zu einer chronischen Entzündung führt. Diese chronische Entzündung wiederum kann die Insulinresistenz erhöhen und die Blutzuckerkontrolle verschlechtern, was den Diabetes weiter verschlimmert.

Ein weiterer Mechanismus, der zur Verbindung zwischen Parodontitis und Diabetes beiträgt, ist die Beeinflussung des Immunsystems. Bei beiden Erkrankungen ist das Immunsystem dysfunktional. Bei Parodontitis wird das Immunsystem durch die chronische Entzündung im Mundraum aktiviert, was zu einer verstärkten Immunantwort führt. Diese übermäßige Immunantwort kann dazu führen, dass das Immunsystem überreagiert und körpereigenes Gewebe angreift, was zu weiteren Entzündungen führt.

Im Falle von Diabetes ist das Immunsystem ebenfalls beeinträchtigt. Bei Typ-1-Diabetes greift das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse an, was zu einem Mangel an Insulin führt. Bei Typ-2-Diabetes ist das Immunsystem oft chronisch aktiviert, was zu einer niedrigeren Infektionsabwehr und einer erhöhten Entzündungsbereitschaft führt.

Darüber hinaus gibt es genetische Faktoren, die sowohl das Risiko für Parodontitis als auch für Diabetes beeinflussen können. Es wurde festgestellt, dass bestimmte genetische Varianten das Risiko für beide Erkrankungen erhöhen können, was darauf hindeutet, dass es eine genetische Anfälligkeit gibt, die beide Zustände miteinander verbindet.

Die Verbindung zwischen Parodontitis und Diabetes hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit des Einzelnen. Eine schlechte Blutzuckerkontrolle bei Menschen mit Diabetes kann das Risiko für Parodontitis erhöhen und den Verlauf der Parodontitis verschlimmern. Auf der anderen Seite kann eine unbehandelte Parodontitis die Blutzuckerkontrolle bei Menschen mit Diabetes erschweren und das Risiko für diabetische Komplikationen erhöhen.

Eine Studie ergab, dass Menschen mit Diabetes ein 3-fach höheres Risiko für Parodontitis haben als Menschen ohne Diabetes. Darüber hinaus hatten Menschen mit schlechter Blutzuckerkontrolle ein noch höheres Risiko für Parodontitis als diejenigen mit gut kontrolliertem Diabetes. Dies deutet darauf hin, dass eine gute Blutzuckerkontrolle ein wichtiger Faktor bei der Vorbeugung von Parodontitis bei Menschen mit Diabetes sein kann.

Umgekehrt wurde auch festgestellt, dass eine unbehandelte Parodontitis die Blutzuckerkontrolle bei Menschen mit Diabetes beeinträchtigen kann. Entzündungen im Mundraum können die Insulinresistenz erhöhen und die Blutzuckerspiegel destabilisieren, was es schwieriger macht, den Diabetes zu kontrollieren. Darüber hinaus kann eine unbehandelte Parodontitis das Risiko für diabetische Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenerkrankungen erhöhen, was die Gesundheitsprognose weiter verschlechtert.

Angesichts dieser komplexen Beziehung zwischen Parodontitis und Diabetes ist es wichtig, dass Menschen mit Diabetes besondere Aufmerksamkeit auf ihre Mundgesundheit und ihre Zahnhygiene legen. Regelmäßige Zahnarztbesuche und professionelle Zahnreinigungen sind entscheidend für die Früherkennung und Behandlung von Parodontitis. Diabetologen weisen häufig darauf hin. Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einer aktiven Mitarbeit des Patienten kann zu einem großen Erfolg in der Behandlung beider Erkrankungen führen.